Mini-Kreuzfahrt nach Tallinn
Ausflüge nach Estland sind für viele Finnen ein Muss - schon aus finanziellen Gründen, denn Alkohol ist in Finnland teuer. Zwar haben die Preise in Estland in den vergangenen Jahren gewaltig angezogen, doch noch immer lohnt sich eine Kreuzfahrt über die Ostsee, und dann wird eingekauft: Die Shops auf den Fähren sind vollgepackt mit Bier, dem in Finnland sehr beliebten Siideri (Cidre) und Spirituosen aller Art. Für die finnische Kundschaft bieten die Fähren mittlerweile klappbare Trolleys an, auf denen Paletten mit Bier- und Siideri-Dosen gestapelt und am Zielhafen zum abgestellten Auto gerollt werden können.
Die sonderbare Reise des Alkohols
Wir schmunzeln jedesmal, wenn wir das Treiben in den Fährshops sehen, denn für Besucher aus Deutschland sind die Preise alles andere als günstig. Eine 24-Dosen-Palette Bier für 16 Euro mag noch als akzeptabel gelten, doch Spirituosen wie Wodka und Whisky sind erheblich teurer als bei uns - aber eben nicht für die Finnen, denn dort zahlt man für die Bierpalette in der Regel deutlich über 20 Euro, und auch für Schnäpse aller Art muss man mit einem Aufschlag von 50 Prozent rechnen. Das Kuriose dabei: Viele Finnen kaufen auf der Fähre - oder in Estland - Biere aus finnischer Produktion, die vorher erst von Finnland nach Estland geschafft werden, damit sie dort für weniger Geld gekauft und zurück ins Produktionsland transportiert werden. Das verstehe wer will, aber die Alkoholsteuern sind nun mal so.
Wir wollen allerdings keinen Schnaps kaufen, sondern über die Ostsee schippern. Freunde aus Finnland haben uns den Tipp gegeben, dass die Eckerö Line Mini-Kreuzfahrten auf der Strecke anbietet: Pro Person hin und zurück für zehn Euro, buchbar online oder im Fährbüro in Helsinki. Im Februar 2018 lösen wir zwei Tickets und stechen morgens um 9 Uhr am Länsisatama, dem Westhafen in Helsinki, in See.
Schneegestöber in Tallinn
Schon das Licht um diese Zeit im hohen Norden ist ein Erlebnis. Der Himmel ist zwar bewölkt, doch die Sonne scheint - und trotzdem wirkt alles irgendwie leicht dämmrig und in ein kühles Blau getaucht. Es ist kalt, seit vielen Tagen schon liegen die Temperaturen bei unter -10 Grad. Der innere Teil des Westhafens an der Tyynenmerenkatu ist komplett zugefroren. Auch rings um die Fähre schwimmen kleinere und größere Eisschollen - ein Bild, das wir während der gesamten, zweieinhalbstündigen Überfahrt nach Tallinn genießen: die Ostsee ist mit Eis bedeckt.
Gegen 11.30 Uhr erreichen wir den Hafen der estnischen Hauptstadt - und erleben ein Kontrastprogramm der meteorologischen Art: Tallinn begrüßt uns mit Schneegestöber; zwar scheint es hier etwas milder zu sein als in Helsinki, doch dafür ist der Himmel bedeckt, der Wind weht teilweise recht heftig, immer wieder fällt Schnee.
Malerische Altstadt
Durch einen der Stadttürme laufen wir auf dem Pikk Richtung Marktplatz. Der Pikk ist eine der schönsten Straßen in der Altstadt von Helsinki, mit vielen historischen Häusern - und einem riesigen Sakral-Bau: Die Oleviste kirik, die Olaikirche, zählt mit ihrem 138 Meter hohen Turm zu den höchsten Gebäuden Estlands. Zahllose Flaggen in den Nationalfarben blau-schwarz-weiß schmücken 2018 die Häuser: Estland feiert nämlich 100 Jahre Unabhängigkeit.
Der Marktplatz ist mit Schnee bedeckt und wirkt um diese Jahreszeit richtig still. Wir waren hier schon oft im Sommer, wenn reges Treiben in der Altstadt herrscht und viele Gasthäuser ihren Betrieb teilweise nach draußen verlegt haben; nun aber sind Bierbänke und Tische in den Depots eingelagert. Nach einem kurzen Bummel durch die Innenstadt ist Zeit für ein Kaffeestündchen, das wir im Cafe Maiasmokk genießen. In dem Gebäude am Pikk hat der Lette Lorenz Caviezel im 18. Jahrhundert die erste Konditorei Tallins eröffnet. Georg Johann Stude hat dort das Cafe Maiasmokk gegründet (was man mit “Schleckmaul” übersetzen könnte). Aus diesem Cafe heraus entstand später die Firma Kalev - heute der größte Süßwarenhersteller im Land. Im Maiasmokk freuen wir uns über leckere Kuchen und Törtchen zu vergleichsweise zivilen Preisen.
Sieben Stunden Aufenthalt
Wir haben viel Zeit an diesem Kreuzfahrt-Tag: Zeit zum Bummeln in den vielen kleinen Lädchen, die es im Zentrum gibt; Zeit zu einem Abstecher ins Virukeskus, einem Einkaufszentrum am Rande der Altstadt; Zeit für einen Besuch im “Foto Muuseum” hinter dem Rathaus; und auch genügend Zeit, um mit vorsichtigen Schritten über das verschneite Kopfsteinpflaster zu laufen - in Tallinn wird offenbar nicht gestreut.
Am späten Nachmittag, in der einsetzenden Dämmerung, gehen wir über den Pikk zum A-Terminal, denn um 18.30 Uhr läuft unsere Fähre zurück nach Helsinki aus. Der Rückweg zum Hafen ist abenteuerlich: Mittlerweile hat wieder Schneegestöber eingesetzt, der eisige Wind peitscht uns die Flocken regelrecht ins Gesicht. Wir sind froh, als wir das letzte Stück des Wegs überstanden und das Terminal erreicht haben. Bei einem gemütlichen Abend im Buffet-Restaurant an Bord lassen wir den Tag ausklingen.
Lust auf eine Mini-Kreuzfahrt bekommen? - Erkundigen Sie sich bitte vorher nach den Preisen bei allen Gesellschaften, die zwischen den beiden Ostsee-Metropolen verkehren. Wir haben für das Ticket zehn Euro bezahlt; mittlerweile haben wir allerdings erfahren, dass dies ein Angebot war (solche Angebote gibt es aber erfahrungsgemäß immer wieder mal).