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Finnland-Infos

Vermessungspunkt Oravivuori

Mit einem Netz von Vermessungspunkten hat der deutschbaltische Astronom Wilhelm von Struve im 19. Jahrhundert die Form der Erde berechnet. Einer der Punkte lässt sich am Oravivuori in Mittelfinnland besichtigen - aber erst nach einer atemraubenden Wanderung.

Steiler Aufstieg mit Ruhebänkchen
Steiler Aufstieg mit Ruhebänkchen

Der Reisende im 21. Jahrhundert verwendet einen elektronischen Navigator, um schnell und sicher ans Ziel zu gelangen. Er gibt die Daten des Struve-Bogen-Vermessungspunkts am Oravivuori in das GPS-basierte Kästchen ein und folgt dann vertrauensvoll und gehorsam den Anweisungen des Wunderapparats. Diese Anweisungen lotsen uns an einem heißen Sommertag von Jyväskylä aus auf die E 63 Richtung Tampere, nach einer guten halben Stunde Schnellstraße auf einen Seitenweg und schließlich auf eine staubige Schotterpiste in die Wildnis. Nach zehn Minuten Schüttelfahrt verkündet das Navi stolz: “Sie haben das Ziel erreicht.” Das können wir freilich nicht glauben, denn unser Auto steht auf einem holprigen Weg am Waldrand fern jeglicher Zivilisation, es gibt keinen Parkplatz und auch keine Hinweistafel, lediglich Ratlosigkeit. Finnische Tourismus-Prospekte preisen den Oravivuori als Sehenswürdigkeit an, dann muss es doch auch irgendwo einen Weg dorthin geben.

36 Jahre Arbeit für die Erdvermessung

Und tatsächlich: Als wir zum zweiten Mal das vom Navi berechnete Ziel passieren, sehen wir an einem unscheinbaren Trampelpfad ein kleines blaues Schild und dahinter, etwas versteckt, eine Schautafel, auf der Struves Arbeit erklärt wird: Der bedeutende Astronom hat 1816 damit begonnen, eine Kette von Messpunkten anzulegen; diese Reihe, der sogenannte Struve-Bogen, reicht auf einer Länge von über 2.800 Kilometern vom norwegischen Hammerfest im Norden bis zum Schwarzen Meer im Süden. 36 Jahre hat es gedauert, die 265 Punkte einzurichten. Mit ihrer Hilfe konnte Struve am Ende nicht nur die Größe der Erdkugel in Nord- und Osteuropa bestimmen, sondern auch ihre Form - unser Planet ist ja nicht ganz rund wie eine perfekte Kugel, sondern an den Polen etwas abgeflacht.

Hinweisschild auf den Struve-Punkt und die Neuvermessung
Hinweisschild auf den Struve-Punkt und die Neuvermessung

Von der Schautafel führt ein holpriger Weg zum historischen Vermessungspunkt. Dieser einen Kilometer lange Weg kennt nur eine Richtung: nach oben, teilweise auch steil nach oben. Da geht selbst mittelmäßig geübten Wanderern schon mal die Puste aus. Unterwegs an der Strecke zeigen Holzschilder immer wieder an, welche Strecke wir bereits zurückgelegt haben und wie weit wir noch laufen müssen. Für müde Wanderer gibt es sogar Ruhebänkchen. Doch wir wollen nicht ruhen, höchstens mal kurz verschnaufen - und dann gleich wieder weiterlaufen, dem Gipfel entgegen. Nach anstrengenden 1.000 Metern sehen wir schließlich unser Ziel: den Aussichtsturm am Vermessungspunkt.

Unesco-Weltkulturerbe

Am Turm weist ein Schild darauf hin, dass dieser Messpunkt mit 33 anderen heute zum Unesco-Weltkulturerbe gehört. Daneben findet sich eine metallene Platte, die auch neueste Vermessungen berücksichtigt: Ein Jahrhundert nach Struve hat das finnische geodätische Institut den Punkt am Oravivuori mit modernen Hilfsmitteln neu vermessen lassen und kam auf eine Abweichung von gerade einmal 43 Zentimetern.

Aussicht über die Seenlandschaft Mittelfinnlands
Aussicht über die Seenlandschaft Mittelfinnlands

Unser letzter Aufstieg an diesem Tag führt auf den Aussichtsturm über dem Vermessungspunkt. Wir haben Glück: Die Sonne scheint, der Himmel ist strahlend blau, und so bekommen wir einen herrlichen Blick über die Seenlandschaft Mittelfinnlands - eine phantastische Aussicht, die wir lange genießen, bevor wir den nicht mehr so ganz beschwerlichen Rückweg Richtung Tal antreten.

Der Vermessungspunkt Oravivuori liegt rund 45 Kilometer südlich von Jyväskylä. Der Weg zur Anhöhe beginnt recht unscheinbar an einer Schotterpiste. Leider gibt es für Besucher keinen Parkplatz, so dass man selbst nach einer Abstellmöglichkeit am Wegrand suchen muss.

Zuletzt bearbeitet am 14.05.2021